Die Geschichte beginnt im Jahre 1259. Zu dieser Zeit hieß die Wahmstraße noch "platea aurigarum", was übersetzt in etwa "Straße der Fuhrleute" heißt.
Ab 1458 hieß sie dann bereits "Wagemannsstrate" bis sie 400 Jahre später endgültig zur Wahmstraße wurde.
Auch die Nummerierung der Häuser hatte lange noch nicht ihre heutige Struktur. Seit dem 13. Jahrhundert sind Straßennamen belegt, es gab jedoch keine Straßenschilder. Ortsunkundigen war es damit unmöglich ein bestimmtes Haus zu finden. Im Rahmen der Steuererhebung und der Verpflichtung der Bürger zum Dienst in der Bürgerkompanie wurde die Stadt in vier Quartiere unterteilt, jedoch ohne eine weitere Untergliederung, was für Besucher auch nicht gerade hilfreich war.
1795 wurde vom Rat ein Dekret erlassen, nachdem Gebäude nummeriert werden sollten. 1796 wurden in allen Quartieren die Haupthäuser durchnummeriert und zwar immer beginnend mit der Nr. 1. Es gab also in den 4 Quartieren vier mal das Haus Nr. 1.
Nach der Eingliederung Lübecks in das Kaiserreich Frankreich 1811 wurde angeordnet die Häuser nach französischen Vorbild so zu nummerieren wie wir es heute kennen. Fortlaufende Nummern pro Straße, eine Seite gerade, die andere ungerade. Nachdem Lübeck seine Souveränität zurückerlangt hatte wurde schleunigst alles französische abgeschafft. Was die Hausnummern angeht, so kehrte man in das Jahr 1796 zurück.
Erst 1884 beendete der Senat diesen unhaltbaren Zustand per Verordnung. Man kam nun doch zu der Erkenntnis, dass das französische System gar nicht so schlecht war und so wurde 1884 aus dem Haus Wahmstraße 451 die Hausnummer 37.
1259: Platea aurigarum
1313: Platea Waghemanni
1332: Waghemanstrate
1341: Platea Wagemannes
1428: Platea Libripendium
1458: Wagemannstrate
1460: Wamestrate
1468: Wagemestrate
1580: Wamenstrate
1608: Wamstrate
1852: Wahmstraße
Das Haus Wahmstraße 37 war, wie auch die nebenliegenden Hauser 33 und 35, eines der größten historischen Bürgerhäuser, die in der Mitte des 16. Jahrhunderts in Lübeck auf alten Brandmauern als Brauhäuser neu erbaut wurden.
Die Hausmarke
Die Hausmarke an der Fassade enthält die Jahreszahl 1557 und 2 Löwen, die ein Wappen mit den Buchstaben „B“ und „L“ halten. Dies sind die Initialen von Baltzer Ludgen, der das Haus 1548 vom ersten
unter dieser Adresse eingetragenen Brauer Hinricus Eddeler kaufte. Eddeler bot das Haus mit „browpanne, kuven, boden unde aller tubehör torn browerke denende“ an.
Die Terrakotten
24 Medaillons Porträtköpfe und Teile von "Gesetz und Gnade", entstanden in der 2. Hälfte des 16. Jh. Hergestellt von Ratsziegelmeister Statius von Düren (Werkstatt)
Statius von Düren, dessen Herkunft weitgehend unbekannt ist, ist zwischen 1551 und 1566 als Terrakottabildhauer in Lübeck nachweisbar. Er besaß eine Ziegelei auf der „Pepermole“ vor dem Holstentor.
In seiner Werkstatt entstanden in serieller Fertigung die Form- und Bildnissteinplatten, die der Ausschmückung von Ziegelfassaden vor allem von Lübecker Profanbauten dienten.
Die beiden Renaissance-Giebelhäuser Wahmstraße 35 und 37 treten über die Motive des Triptychons in Verbindung. An jeder Fassade befinden sich nur zwei von drei Tafeln. Nr. 35 zeigt die äußeren Tafeln
Sündenfall und Auferstehung; Nr. 37 die Mitteltafel mit der Kreuzigung und die rechte die Auferstehung.
Schnitzereien vom Kirchenstuhl der Brauerknechte in der ehemaligen Burgkirche 1628.
Die beiden Häuser Wahmstraße 35 und 37, fotografiert etwa 1900.
Die Brauerwasserkunst (rechts) und die Bürgerwasserkunst (links) die das Wassernetz mit Wasser aus der Wakenitz versorgten. ( um 1860 )
Haustür Nr. 37 um 1800 mit der späteren Beschriftung "C.Westfehling - Brauerei - Malzhandlung"
Das Bier und die Zunft
In der Lübecker Liste der Brauer von 1407 hatten mehr als 180 Brauer (Bei einer Einwohnerzahl von 25.000 um das Jahr 1600) die Braugerechtigkeit, also das Recht Bier brauen zu dürfen. Dabei wurde
zwischen der Weißbier- und der Rotbiergerechtigkeit unterschieden.
Obergäriges Bier wie es in Lübeck gebraut wurde, war damals ein Lebensmittel, dass vor allem der gesunden Ernährung diente und nicht dem Genuss. Deshalb wurde Bier auch als flüssiges Brot
bezeichnet.
Bier hatte den großen Vorteil, dass es im Gegensatz zum Flusswasser durch den Brauprozess einigermaßen keimfrei und deshalb „der Gesundheit zuträglich war“, so es denn richtig gebraut wurde, was
durchaus nicht immer der Fall war.
Bier war also Grundnahrungsmittel. Man kochte sogar mit Bier, aß Biersuppe und Bierbrei. Ohne unser heutigen Wissen um die Hygiene trank man Wasser nur in größter Not.
Allein 13 Brauer lebten und arbeiteten in der Wahmstraße.
Im 16. Jahrhundert waren es bereits 18 Brauhäuser und 3 Malzhäuser.
Die drei Brauhäuser in der Wahmstraße wurden in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, wie übrigens viele Brauhäuser der Stadt, umgebaut und wo dies möglich war, auch erheblich vergrößert. Die
Fassade der Wahmstraße 37 misst in der Höhe immerhin 20m und war damit eines der größten, in Lübeck erbauten Brauhäuser. Seit dieser Zeit sind die Renaissancegiebel der drei Häuser weitgehend
erhalten geblieben.
Das Brauwasser
Für die große Menge Wassers, die die Brauerzunft benötigte wurde ein hölzernes Rohrleitungssystem von der um 1290 gebauten Wasserkunst (später Brauwasserkunst vorm Hüxterthor) nach 1400 unter den
Straßen bis auf die Grundstücke gelegt. Die Rohrleitungen bestanden aus Eichenstämmen die der Länge nach durchbohrt und mit Kupfer- oder Bleimuffen verbunden wurden.
Das Wasser wurde aus der Wakenitz entnommen, da das Travewasser nicht völlig salzfrei war. Aufgrund der Hügellage Lübecks musste das Wakenitzwasser per hölzernem Schöpfrad in einen Hochbehälter befördert werden, damit es durch die Wasserleitungen fließen konnte. Diese Technik wurde über die Grenzen Lübecks hinaus als eine der bemerkenswertesten Lübecker Errungenschaften gewürdigt.
Der Hopfen
Neben dem importierten Hopfen aus Brandenburg, Thüringen und dem Wendland wurde ein Teil des Hopfens im direkten Umfeld des Lübecker Stadtkerns angebaut. In der Hochzeit des Lübecker Hopfenanbaus
wird der Gesamtertrag auf knapp 40.000 Scheffel geschätzt. (1 Lübecker Haferscheffel entspricht ca. 40 Litern)
Die Braudiele - Wahmstraße 37
Das Haus Wahmstraße 37 war wie auch die nebenliegenden Hauser 33 und 35 die größten historischen Bürgerhäuser, die in der Mitte des 16. Jahrhunderts auf alten Brandmauern als Brauhäuser neu erbaut
wurden.
Zum eigentlichen Brauen wurde die große Diele genutzt. Hier stand die große Braupfanne mit einem Fassungsvermögen von 4.630 Litern.
Von der Braupfanne wurde das erhitzte Wasser durch Rinnen in den Maischbottich und den Stellbottich geleitet. Auf einer in der Diele eingezogene Balkendecke lagen die so genannten Kühlschiffe. Die
Kühlschiffe waren große flache Wannen, in denen der heiße Sud aus dem Maischbottich schnell abkühlten konnte und dabei geklärt wurde.
Die sogenannte Darre war ein kleiner Raum mit feuerfestem Boden im ersten Obergeschoss, der zum Trocknen von Malz benötigt wurde. Sie wurde von einem Ofen im Erdgeschoss mit der nötigen Wärme
versorgt und zwar so, dass nur Wärme und keinesfalls der Rauch mit dem Malz in Berührung kam, was den Malz „brandig“ gemacht hätte.
Die heutige Diele, mehr als 100 Jahre später.
Die Treppenanlage mit den Schnitzereien und der so genannte "Hausbaum" mit seinen zwei tragenden "Ästen" und den Cherubinen wurden erhalten.
Das Brauhaus in der Wahmstraße 37 - Meilensteine der Geschichte
1288 | Die erste Erwähnung des Hauses mit der späteren Hausnummer 451 wird durch den Kauf des Goldschmieds Johann von Megedeburck belegt. | ![]() |
nach 1400 | Die Wahmstraße wird an das damalige Wassernetz angeschlossen. Dies war schon wegen des wöchentlichen Wasserbedarfs von bis zu 5000 Litern überhaupt erst die Voraussetzung für die Ansiedlung des Braugewerbes. | |
1403 | Hinricus Eddeler besitzt als erster Brauer das Haus und baut es zur Brauerei um. | |
1520 | Der Brauer Jochim Lütken kauft das Haus in der „Wagemestrate“ | |
1548 | Jochim Lütken verkauft das Haus 1548 an seinen Sohn Baltzer. Baltzer Lütken baut das Haus nach einer Feuersbrunst 1557 um und lässt in Höhe des ersten Obergeschosses die Hausmarke mit seinen Initialen an der Fassade anbringen, die sie bis heute ziert. Er nutzt das Haus „för dat Bruwerck von dem Witte-Bier“. |
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1613 | Nach dem Tod von Baltzer Lütken verkauft seine Witwe das Anwesen an Andreas Witzkron | |
1778 | In einer Verkaufsanzeige wird das Haus wie folgt beschrieben: „Ein großes Haus, hinuntergehend links, vor wenigen Jahren neu ausgebaut, mit großer Diele, Küche, Saal, 5 große Böden, davon 3 in Brandmauern, mit laufendem Kunstwasser vor der Thüre, grossen Raum, Steinhof und Garten, der Malz- und Honigsiederei-Gerechtigkeit.“ | |
um 1800 |
Veränderung der Fassade durch das Aufbringen des dreieckigen Giebelkopfes. |
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um 1830 | Christian von Bahlen ist im Lübecker Adressbuch von 1830 eingetragen als Bier-, Essigbrauer und Malzhändler. | ![]() |
1862-1879 | Lt. Lübecker Adressbuch führt Joh. Hinr. Gottf. Stühff in Nummer 451 eine Brauerei und einen Brennholzhandel. | |
1884 | Laut Senatsverordnung vom 20. Mai 1884 wurde in Lübeck ein neues Nummerierungssystem eingeführt. Eine Strassenseite bekam gerade, die andere ungerade Hausnummern. So wurde aus der Wahmstraße 451 die neue Nummer 37. | |
1879-1907 | Der letzte Brauer der das Haus von 1879 bis 1907 zum Brauen von Braunbier nutzte war Carl Joh. Heinrich Westfehling. Aus seiner Zeit ist ein Foto des Eingangs mit seiner Firmenbeschriftung, ein Bierverschluss aus Porzellan sowie Fotos der damaligen Braudiele erhalten. |
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1907 | Dem Brauer Westfehling ist es zu verdanken, dass der Modelleur Adolf Fasel ein Modell des Hauses (mit Einblick in die Braudiele) im Massstab 1:20 anfertigen durfte, das
heute im St. Annen Museum steht. Im Rahmen umfangreicher Umbaumaßnahmen wurden danach die Braugerätschaften entfernt. |
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